Neue Literarische Gesellschaft e. V.
Sonntagvormittag um 11 ist häufig Lesezeit in Marburg: die Lesungen, durchschnittlich 30 im Jahr, die im traditionsreichen Café Vetter in der Marburger Altstadt stattfinden, sind in über 40 Jahren längst schon zur Tradition geworden. Die erste "Literatur um 11", so der Obertitel dieser Veranstaltungen, fand bereits am 4. November 1973 statt. In diesem Zusammenhang wurde als verantwortliche Instanz am 9. März 1974 die "Neue Literarische Gesellschaft, Marburg" gegründet, die auch die "Literatur um 11" im Untertitel führt; "Neue", da es in früheren Zeiten schon einmal eine Literarische Gesellschaft in Marburg gegeben hatte. Ziel der neuen Gesellschaft war von Anfang an die Literatur des deutschen Sprachraumes vorzustellen. Also unter Einbeziehung Österreichs und der Schweiz.
Nach dem ersten schwierigen Jahrzehnt der Konsolidierung, die entscheidend durch den verstorbenen Pädagogen, Politiker und Poeten Reinhard Spalke mitgeprägt wurde, konnte die Gesellschaft daran gehen, die europäischen Kontakte sinnvoll auszubauen. Darüber hinaus war und bleibt die NLG auch eine Anlaufstelle für die lokalen und regionalen Schriftsteller. Nachdem sich die NLG in den siebziger Jahren hinreichend etabliert und inzwischen auch eine Zeitschriftenreihe, "Literatur um 11", zur Publikation belletristischer Texte eingerichtet hatte, brachten die achtziger Jahre nach und nach erweiternde Veränderungen. 1980 gründete die NLG z. B. einen Workshop für Autoren aus der Region. Ebenfalls 1980 wurde der erste "Marburger Förderpreis für Literatur" vergeben, dessen Stiftung die NLG schon 1978 beim Landkreis anregte, mit dem Ziel, "die Stadt Marburg und den Landkreis Marburg-Biedenkopf kulturell zu beleben und aufzuwerten". Eine dreiköpfige Jury entscheidet aus eingesandten unveröffentlichten Manuskripten, wobei weder Renommee des Autors noch politische Gesichtspunkte Kriterien der Preisvergabe sein dürfen. Im Zweifelsfall, ist "im Sinne des Fördergedankens ... der wirtschaftlich Schwächergestellte vorzuziehen".
Hauptpreisträger 1980 war der 1940 in Eger geborene Schriftsteller Harald Kaas, ihm folgten Ludwig Harig, Erich Loest und 1988 James Krüss, insgesamt 27 Preisträger, die in der Verantwortung unserer Gesellschaft gekürt wurden. 1980 begannen auch die Leseveranstaltungen in Bildungseinrichtungen, hauptsächlich in Schulen in Hessen, aus denen sich ein eigener, heute noch existierender Verein entwickelte. Neben den Verträgen mit zahlreichen osteuropäischen Schriftstellerverbänden über regelmäßigen Literaturaustausch, gab und gibt es Partnerschaften mit einzelnen Städten, so mit Poitiers (1983), Maribor (1984) und Linz (1986), aus denen gemeinsame Anthologien entstanden und ein reger Autorenaustausch, vor allem mit Linz, gepflegt wird.
Auch über die seit 1982 jährlich durchgeführten "Internationalen Autorentage", die jeweils einer europäischen Literatur gewidmet sind, entstanden überregionale Kontakte, die beispielsweise im Anschluss an eine Veranstaltung zu slowenischer Literatur zu einer Anthologie Marburger Autoren in slowenischer Sprache führten. 1982 begannen die "Autorentage" mit einer Veranstaltung mit DDR-Dissidenten, zuletzt waren österreichische, Schweizer und schwedische Literatur ein Thema.
Doch gerät dabei die Region nicht aus dem Blickfeld. Zwischen 1982 und 2002 führte die NLG auch im 25 Kilometer entfernten Biedenkopf, einer Kleinstadt des Gewerbes und der Industrie, öffentliche Lesungen im Gasthaus "Auf der Bach" am Markt durch.
1987 konnte die Zeitschrift "Literatur um 11" weitergeführt werden, in deren Vorwort der Nummer 2 zu lesen ist: "Der Wunsch, den Lesungen eine dauerhafte Dokumentation mitgeben zu können, stand am Anfang unserer Idee, die Zeitschrift neu zu begründen. Wir wollen so auch ein Werkstattforum schaffen, das bisher unveröffentlichte oder nur schwer zugängliche Texte erschließt. Dabei sollen neben deutschsprachigen Autoren auch Dichter nationaler Minderheiten aus dem europäischen Sprachraum zu Wort kommen. Literatur aus Europa ist das zweite Stichwort. Wir möchten unsere Zeitschrift den Autoren aus dem Ausland öffnen, denen am Austausch mit der deutschen Sprache und Kultur gelegen ist. Jeweils ein längerer Essay schafft die Verbindung zur Literaturkritik."
Als eine Sonderreihe der Zeitschrift wurde "Vis Poetica" eingerichtet, in der das alte belletristische Prinzip der Leitschrift fortlebt.
Anlässlich des 15jährigen Bestehens der NLG zeigte die Gesellschaft im Frühjahr 1989 in der Marburger Brüder-Grimm-Stube eine Ausstellung mit Dokumenten ihrer Arbeit. Auch aus Anlass des 30jährigen Bestehens gab es eine Ausstellung.
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